Es ging durch alle Medien. Das Betreuungsrecht wird modernisiert.
Das Ehegattennotvertretungsrecht wurde als praktische Lösung für alle gelobt, die (noch) nicht mit Vollmachten und Verfügungen vorgesorgt haben. Ärzteblätter, Anwaltszeitschriften, Fernsehsender und Lokalzeitungen kündigten eine neue Zeit an, in der alles einfacher und bequemer wird.
Das alles gilt nun seit Anfang 2023 und die ersten Erfahrungen liegen vor. Aus meinen regelmäßigen Kontakten mit den Geschäftsstellen der Betreuungsgerichte ergibt sich leider kein so positives Bild, wie es die überschwänglichen Berichte vermuten ließen.
Die Zahl der Eilbetreuungen ist nach meinen Erkundigungen nicht sprunghaft angestiegen. Die Betreuungsverfahren laufen nach den entsprechenden Mitteilungen in der Anzahl der Fälle wie bisher. Ehegatten werden also seltener Notbetreuer und häufiger ganz regulär – wie bisher – gerichtlich bestellte Betreuer mit Betreuerausweis. Nach den Gründen für den schleppenden Start befragt, konnten die Stellen bei den Gerichten nur spekulieren. Eine Vermutung geht dahin, dass die Ärzte, die mit dem einen Ehegatten einen Notfall haben, mit dem anderen zur Notfallbetreuung bereiten Ehegatten auf einem Formular feststellen und unterschreiben müssen, dass alle Voraussetzungen für die Notfallbetreuung bei diesem Ehegatten gesichert vorliegen. Hier ergibt sich die Schwierigkeit, dass bei Rückfragen des Arztes die Ehe nicht allein durch einen Ring am Finger nachgewiesen werden kann. Ob die Ehegatten nicht getrennt leben, lässt sich, wie bei allen negativen Tatsachen, allein anhand der Anschriften in den Personalausweisen nicht zweifelsfrei feststellen.
Noch schwieriger ist die Frage, ob der vertretungswillige Ehegatte auch im Interesse des Vertretenen handeln wird. Eigentlich müsste es ausreichen, wenn der Ehegatte alles mit seiner Unterschrift bestätigt und eben nicht befragt wird. Wenn ein Arzt mit seiner Unterschrift für alles einstehen und auch noch Zeit für ein Gespräch haben müsste, ist es fast verständlich, dass er oder sie dann doch lieber das gewohnte Verfahren wählt. Er oder sie unterschreibt ja nur, dass er oder sie sich vom Ehepartner vergewissert hat, dass alle Voraussetzungen erfüllt sind. Und dieser kann einfach auf eigenes Risiko alles entsprechend auf dem Formular unterschreiben und damit versichern, auch wenn es nicht stimmt…
Das Formular und die Erläuterungen (Herausgeber: Bayerisches Staatsministerium der Justiz) finden Sie hier: https://www.justiz.bayern.de/media/images/behoerden-und-gerichte/amtsgerichte/ingolstadt/ehegattennotvertretungsrecht.pdf
Es zeigt sich also, dass das alte Verfahren zwar aufwendiger ist, aber die Arbeit bei den Gerichten bleibt. Ob die Ärzteschaft für diese Arbeit der Formularbearbeitung auch etwas abrechnen darf, war den angefragten Gerichten letztlich nicht bekannt.
Aus all dem kann jeder und jede lernen, dass es allemal sicherer ist, schon jetzt, wenn man eben keine Betreuung will, seine Vorsorge mit fachkundiger Hilfe rechtssicher zu gestalten. Denn ob man ohne solche Vollmachten und Verfügungen eine Notfallvertretung durchführen kann, hängt, wie wir sehen, sehr stark vom Zufall ab, ob der Arzt, die Ärztin oder das Krankenhaus sich auf das Modell der Notfallvertretung einlassen wollen.
Wenn man bedenkt, welche Kosten mit einer ungewollten Betreuung verbunden sind, ist es allemal klüger, für sich und seine Angehörigen mit Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht & Co. bestmöglich vorzusorgen.
Mit besten Grüßen
Ihr Dr. Gerald Marimón, Rechtsanwalt|Vorsorgeanwalt seit 2010